Veranstaltungsbericht – BAK Neuenstadt
Mensch, Biene – Landwirtschaft zwischen Naturschutz und Ertrag. Beispiele aus Forschung und Praxis
Schließen sich Landwirtschaft und Naturschutz aus?
Zu dieser Leitfrage lud der Bezirksarbeitskreis Neuenstadt des Evang. Bauernwerks Anfang Dezember ein. Über 100 Landwirte, Naturschutz-Vertreter und Interessierte füllten die Gemeindehalle in Gochsen, Hardthausen am Kocher.
Anlass zu einer solchen Veranstaltung bot das Volksbegehren, dessen Debatte drohte, einen Keil zwischen Naturschutz und Landwirtschaft zu schieben. Aber Landwirtschaft und Naturschutz sind keine Gegensätze, es gilt ein Gleichgewicht zu schaffen, was nur durch den gemeinsamen Dialog erreicht werden kann. Das inzwischen entwickelte Eckpunktepapier der Landesregierung bekräftigt die Kompromissfindung. In ihrer Einführung stellt Bildungsreferentin Melanie Burkhardt, die den Abend moderierte, die Frage, wer für Natur und Umwelt verantwortlich sei? Landwirtschaft? Politik? Industrie? Gesellschaft? Einerseits werden regionale Qualitätsprodukte gefordert, andererseits nur minimales Eingreifen und Erhalt der Natur. Eine naturverträgliche Landwirtschaft sollte das Gleichgewicht zwischen Naturschutz und Ertrag halten. Aber ein Kompromiss erfordert Nachgeben auf beiden Seiten. Ein Aufeinander-Zugehen. Denn beide Seiten haben dasselbe Interesse: den ressourcenschonenden Umgang mit der Schöpfung.
Welche politischen Schritte dem Volksbegehren folgten und wie es weiter geht, berichtete Isabell Huber, MdL. Die CDU-Landtagsabgeordnete erläuterte das Instrument Volksbegehren und schilderte sachlich, wie das Eckpunktepapier entstand. In der sogenannten Weinsberger Runde waren das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft und verschiedene Landwirtschaftsverbände vertreten. Huber stellte die einzelnen Eckpunkte vor. Das Papier war Grundlage für die Bremsung des Volksbegehrens und die momentan stattfindenden Verhandlungsgespräche. Ziel dieser Gespräche ist es, einen politischen Rahmen mit breitem Konsens zu entwickeln. Kompromisse bedeuten Abstriche für beide Seiten, also auch Konsequenzen für die Landwirtschaft. Bei den Verhandlungen nehmen rund 30 Vertreter aus Politik, Naturschutz und Landwirtschaft teil. Huber schilderte, dass die Gespräche konstruktiv, teils auch emotional verlaufen. Aber alle Beteiligten arbeiten an der gemeinsamen Sache, das heißt auch die Landwirtschaft sieht sich als Teil der Lösung. Der neue Gesetzesentwurf soll Mitte Dezember feststehen. Huber selbst, die nicht mit am Verhandlungstisch sitzt, begrüßt den Dialog und sieht die Verantwortung für Artenschutz bei allen Akteuren: Politik, Industrie, Landwirtschaft und Gesellschaft.
Auch Prof. Dr. Johannes Steidle begrüßte das Eckpunktepapier und die laufenden Gespräche. Vor allem auf die konkrete Umsetzung kommt es nun an. Steidle ist Professor an der Universität Hohenheim, im Fachgebiet Tierökologie. In seinem Vortrag stellte er sachlich und klar verschiedene Studien zum Rückgang der Artenvielfalt vor, wie die bekannte Krefelder Studie, das Monitoring BW oder die neueste Studie, die auch auf Daten aus dem im Biodiversitätsobservatorium in Münsingen beruht. Sämtliche Studien zeigen ähnliche Ergebnisse: die Artenvielfalt nimmt ab. Klar erkennbar machte er den Zusammenhang von Artenschwund und Landwirtschaft. In Deutschland wird auf 51% der Fläche Landwirtschaft betrieben, 30% sind von Wald bedeckt. Die Populationsabnahmen sind vor allem hier. Dementsprechend spielt Landwirtschaft die Hauptrolle beim Artenschwund. Als weitere Faktoren nannte Steidle noch die Lichtverschmutzung und die Flächenversiegelung, welcher allerdings keine entscheidende Rolle zukommt. Steidle machte deutlich, dass wir Menschen Artenschutz und Klimawandel in den Griff bekommen müssen, denn eine andere Wahl haben wir nicht.
Der Hohenheimer Professor beschrieb den Naturschutz als Schutz von Kulturlandschaft, die Landwirtschaft geschaffen hat. Dazu merkte Steidle an, dass Honigbienen Nutztiere sind und nur Wildbienen unter den Naturschutz fallen. Der Artenschwund betrifft hauptsächlich Pflanzenarten und Insekten. Ökosysteme funktionieren nicht ohne Insekten. Steidle erklärte, dass Insekten auf einzelne Pflanzen spezialisiert sind, z.B. fressen 24 Insektenarten nur Rainfarn. Wo kein Rainfarn mehr wächst, treten diese Populationen nicht mehr auf. Und so ist es auch mit allen anderen Pflanzen. Fehlen sie, fehlen ihre Insekten.
Steidle erkannte den Zwiespalt, mit dem Landwirte tagtäglich umgehen müssen. Dabei ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Artenvielfalt um und auf landwirtschaftlichen Flächen zu steigern. Die Gesellschaft, die Politik und die Landwirtschaft stehen hier gemeinsam in der Verantwortung. Um dieses gesamtgesellschaftliche Problem in den Griff zu bekommen, appelliert er an die Politik, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Ihm macht das Eckpunktepapier Hoffnung. Die Einstellungen der Gesellschaft, ihr Konsumverhalten sowie ihre Forderung nach einer „sauberen“ Landschaft beschrieb Steidle als wichtige Faktoren, die geändert werden müssen. So ist es das Konsumverhalten der Verbraucher, das dazu führt, dass die meisten Flächen für den Anbau von Tierfutter verwendet werden. Eine zentrale Rolle bei der Förderung der Artenvielfalt spielt die Erhöhung der Strukturvielfalt der Landschaft durch kleinere Felder und mehr Randstrukturen wie Feldrainen, Gräben, oder Lesesteinmauern. Dies sei mindestens genauso bedeutsam, wenn nicht sogar wichtiger, als die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln. Steidle erklärte, dass Landwirtschaft bereits jetzt schon viel für Insekten tut, aber leider teilweise falsch beraten wird. So werden in Blühstreifen häufig Phacelia und andere fremdländische Pflanzen gesät, die für einheimische Insekten nur einen geringen Wert haben. Als weitere Maßnahmen schlug er vor, weniger zu düngen. Aus ökologischer Sicht führt das Überangebot von Nährstoffen dazu, dass einige wenige, an hohen Nährstoffgehalte im Boden angepasste Pflanzen andere verdrängen. Darüber hinaus sind die gesellschaftlichen Kosten von mit Nährstoffen belastetem Trinkwasser höher als der Nutzen für den Landwirt. Weiter empfahl Steidle, jeden Pflanzenschutzmitteleinsatz auf seine Notwendigkeit zu überprüfen. Es gibt Studien, nach denen der Einsatz um 42% ohne Ertragseinbußen reduzieren lässt. Der Professor sprach sich für strukturreiche Landschaften, ausschließlich mehrjährige Blühstreifen und produktionsintegrierten Extensivflächen aus. Andere Möglichkeiten sah er in Refugialflächen, dem Einsatz von Balkenmäheren und ungemähten Wiesenstreifen.
Insgesamt forderte Steidle eine gesamtgesellschaftliche Verantwortungsübernahme für den Artenschutz, wozu alle Akteure ihren Teil beitragen. Im Anschluss an den Vortrag leitete Landwirt Tobias Heiß mit einem Statement in die Diskussion ein. Er beschrieb, wie er praktisch mit dem Zwiespalt zwischen Naturschutz und Ertrag umgeht: möglichst naturverträglich arbeiten. Er betonte, dass eine überproportionale Förderung von bestimmten Anbauformen, wie z.B. von Energiemais dem System nicht gut tut.
Wie der Vortrag waren auch die Wortmeldungen in der anschließenden Diskussion sachlich und wertschätzend. Es wurde klar, dass sich die Landwirtschaft allein gelassen fühlt. Viele Landwirte führen bereits Naturschutzmaßnahmen durch und setzen sich für Artenvielfalt ein. Die Idee, Naturschutz als zusätzliches Standbein zu etablieren, wurde befürwortet. Allerdings braucht es dazu auch eine praxisorientierte Gesetzgebung und Rückhalt in der Gesellschaft. Diesem Dialog steht die Landwirtschaft offen gegenüber.
Die Veranstaltung wurde von allen Seiten, Landwirten und Naturschützern im Publikum, Professor Steidle und Landtagsabgeordnete Huber als sehr bereichernd empfunden. Man bleibt im Dialog.
Hohebuch, 11.12.2019
Melanie Burkhardt