Presseberichte

Gaildorf

Hat der Wald nur noch 80 Jahre zu leben?

Als gut 150 Besucher am Mittwoch in den Andachtsraum des Michelbacher Schosses kamen, um im Rahmen des zweiten Michelbacher Schlossforums in diesem Schuljahr dem Vortrag des Forstwissenschaftlers Roland Hartz zuzuhören, standen sie zunächst buchstäblich im Wald: Zwei Schülerinnen der Klasse 10G des ESZM hatten als Präsentation ihrer Jahresarbeit eine Ausstellung zum Thema „Wald“ aufgebaut. Emilia Kuchenbrod und Angelina Fischer boten dem Publikum die Möglichkeit, sich vor Beginn des Vortrags mit allen Sinnen auf das Thema einzustellen. Präparate von Waldtieren, Informationsplakate zu verschiedenen Aspekten rund um den Wald und sogar eine Waldboden-Duftbar führten eindrucksvoll vor Augen (und Nasen), was im Zentrum des Abends stand: Der Wald als bedrohter Lebens- und Erholungsraum.

„Auswirkungen des Klimawandels auf Waldökosysteme und Forstwirtschaft in Baden-Württemberg“ nannte Roland Hartz, Leiter des Forstamts Hohenlohe, seinen Vortrag, in dem er ein, wie Bezirksbauernpfarrer Achim Ehring es in seinem Grußwort nannte, „wichtiges, spannendes und hochaktuelles“ Thema beleuchtete. Dass Ehring als Vertreter des Kooperationspartners Ev. Bauernwerk mit dieser Haltung nicht allein stand, bewies schon die große Zahl an Zuhörern: Der Andachtsraum war gefüllt bis über den letzten Platz hinaus, darunter auch zahlreiche Schüler.

Ende März dieses Jahres, so Hartz zu Beginn seiner Ausführungen, sei die Welt aufgewacht und habe realisiert, dass der Klimawandel erschreckende Auswirkungen auf die Wälder im Land habe. Bilder, von der Detailaufnahme eines verbrannten Buchenblattes bis zur Karte ganzer Landkreise, die das so genannte Waldsterben in Farbe visualisierten, zeigten dabei deutlich die erschreckenden Fakten.

Hartz sprach zunächst in einem „Bericht des Praktikers aus dem Wald“, als den er sich selbst bezeichnet, über die konkreten Auswirkungen des Klimawandels, sprich im Wesentlichen der Erhöhung der durchschnittlichen Jahrestemperatur bei gleichzeitiger deutlicher Verringerung und ungünstigeren Verteilung des Niederschlags, nämlich Baumsterben durch Schädlingsbefall, Hitze und Wassermangel, was sich natürlich gegenseitig bedingt. Folgeschäden seien dabei unter anderem wirtschaftlicher Natur aber auch schlicht existenziell: die Arbeit im Wald werde von Tag zu Tag gefährlicher, so dass auch die tödlichen Unfälle deutlich zugenommen hätten. Im Anschluss ging er auf die Prognosen der Wissenschaft ein, die, auf Baumarteneignungskarten sichtbar gemacht, beinahe apokalyptisch anmuten: Demnach müsste in 80 Jahren der komplette Hohenloher Wald,

wie er heute existiert, verschwunden sein. An dieser Stelle lösten Hartz‘ Ausführungen erschrockenes Raunen im Publikum aus. 80 Jahre hat der Wald noch? Was dann? anmuten: Demnach müsste in 80 Jahren der komplette Hohenloher Wald, wie er heute existiert, verschwunden sein. An dieser Stelle lösten Hartz‘ Ausführungen erschrockenes Raunen im Publikum aus. 80 Jahre hat der Wald noch? Was dann?

Fakt ist, dass es für Fichte, Buche und Eiche, die momentan noch das Bild des Waldes prägen, düster aussieht. Dennoch schaut Roland Hartz nicht allzu pessimistisch in die Zukunft: Er plädierte eindringlich dafür, auf Holz als klimafreundliche Ressource zu setzen, etwa als Baustoff. Die Forstwirtschaft müsse weiterhin aktiv sein, auch wenn – ein bitterer Scherz – zeitweise der einzig verbuchbare Erfolg sei, dass täglich eine neue Schädlingsart entdeckt werde. Absterbende Wälder müssten wiederaufgeforstet werden, wobei man durchaus auch auf „Zuwanderung“ nicht heimischer Baumarten setzen müsste, die möglicherweise besser mit den sich wandelnden Klimabedingungen zurechtkämen. Auch appellierte er an das Publikum, selbst mitzumachen bei der Waldpflege, etwa bei öffentlichen Pflanzaktionen oder bei waldpädagogischen Projekten. Er jedenfalls würde – frei nach Luther – auch mitten im Waldsterben noch ein (Apfel- oder Nadel-)Bäumchen pflanzen.

An den Vortrag schloss sich eine lebendige Diskussionsrunde an, die der Biologe Volker Mauss, der im Vorfeld auch die Schüler im Unterricht auf das Thema vorbereitet hatte, moderierte und mit Einwürfen aus der Position des Naturschutzes zusätzlich anregte. Die teils recht emotionalen Fragen und Beiträge zeigten ganz deutlich, wie recht Pfarrer Ehring eingangs gehabt hatte: Das Thema berührt, ist spannend und hochaktuell!

A. Völk