Presseberichte

Biberach

Was Bauern bewegt

WAIN

Was Bäuerinnen und Bauern bewegt stand im Mittelpunkt des Familiennachmittags des Evangelischen Bauernwerks in Wain. Der Bezirksarbeitskreis Biberach hatte Benjamin Wagener, den Ressortleiter der Wirtschaftsredaktion der Schwäbischen Zeitung in Ravensburg als Referenten eingeladen.

Bezirksbauernpfarrer Eyrich und Vertrauensmann Bernhard Schließer begrüßten die interessierten Gäste im evangelischen Gemeindehaus. Dieser Nachmittag setze damit die Reihe der Nachmittage über Landwirtschaft und Öffentlichkeit fort und dieser Dialog werde in Zeiten der wachsenden Entfremdung immer wichtiger.

Mit grünen Kreuzen, Mahnfeuern, Schlepperkonvois und Demonstrationen haben Landwirte in den vergangenen Monaten auf ihre Lage aufmerksam gemacht und damit auch vermehrt das Interesse der Medien auf sich gelenkt. Oft sähen sich Bäuerinnen und Bauern aber in den Medien auch an den Pranger gestellt, wenn sie dem Idealbild von Landwirtschaft nicht entsprechen können.

Benjamin Wagener machte diese Entwicklung an mehreren Ursachen fest. Als Hauptursache sieht er als Gegenbewegung zur Globalisierung den Rückzug in Vertrautes, in häusliche und ländliche Idylle als Ort der Geborgenheit. Während er und seine Kollegen im Journalismus um Printauflagen kämpfen und sich im Wettlauf mit dem Internet befinden, verzeichnen Zeitschriften wie LandLeben, LandLust, etc. ungebremste Zuwächse. Die Sehnsucht nach Idylle in einer heilen Welt („ Bullerbü“) steigt im gleichen Maß wie die Schattenseiten einer globalen Welt.

Diese Idylle habe wenig mit der Wirklichkeit der deutschen Landwirtschaft zu tun. Nach Überzeugung von Benjamin Wagener gibt es jedoch keine Alternative zur intensiven und aktiven Aufklärung der Verbraucher, warum, wieso, weshalb so oder so produziert wird. Er selbst hat durch persönliche Beziehungen zur Landwirtschaft von Kindheit an einen klaren Blick für die Sachzwänge der Branche und kann sie daher auch einfühlsam darstellen wie in seinem Essay „Bauernopfer- wie die Gesellschaft mit ihren Ansprüchen die Landwirtschaft überfordert“  in der Schwäbischen Zeitung vom 2.11.2019.

Er ging den Ursachen der Entfremdung auf den Grund: Als Wirtschaftszweig sei die Landwirtschaft aus der Wahrnehmung der Bevölkerung weitgehend verschwunden, es fehlt das Vorstellungsvermögen, was es heute bedeutet, Bauer zu sein: 70 Stunden- Woche, weitgehender Urlaubsverzicht, ständig wachsende Anforderungen und Auflagen und Zwang zur Kostendegression. Wie kann dies dem Verbraucher verständlich gemacht werden, welch immense Leistungen hier erbracht werden?

Transparenz und eigene Überzeugung und Leidenschaft für den Beruf sei der Schlüssel, falschen Behauptungen und Darstellungen dürfe man nicht unwidersprochen lassen. Andererseits dürften tatsächliche Verstöße gegen den Tierschutz und grobe Missstände auch nicht verdeckt werden.

Dieses Verständnis für die Situation tut uns gut, betonte Bildungsreferentin Renate Wittlinger, die die anschließende lebhafte Diskussion moderierte.

„Wie groß muss über die schwarzen Schafe berichtet werden?“ stand als Frage anlässlich der laufenden Prozesse wegen Tierschutzverstößen im Raum.

Die Kreisvorsitzende der Landfrauen Doris Härle bat um positive Berichterstattung der regionalen Landwirtschaft in der Presse. Sie als Milchviehbäuerin wünscht sich, dass gezeigt wird, wieviel Verantwortung die Familienbetriebe mit ihren großen Investitionen in moderne und tiergerechte Ställe übernehmen. Sie leisten einen unersetzlichen Beitrag als krisensicherer Nahversorger und auch als Arbeitgeber in vor- und nachgelagerten Branchen.  Sie bezweifelte, dass die Presse nur mit Skandalen Gewinne macht, es gäbe genügend und überwiegend gut geführte Betriebe, die gerne für „positive Schlagzeilen“ sorgen würden

Gerhard Glaser, Kreisvorsitzender und Vize-Präsident des Bauernverbandes lobte den differenzierten Blick des Referenten, bat jedoch auch um Recherche hinsichtlich der aufkommenden Konkurrenz zu natürlich erzeugten Lebensmitteln. Industriell erzeugter Fleischersatz aus billigsten Zutaten dürfe nicht ungeprüft als Lösung für sämtliche Probleme angepriesen werden.

Mit diesen wertvollen Tipps und Aufträgen, wo Jede und Jeder seine „Hausaufgaben“ machen kann, wurde mit diesem Nachmittag ein weiterer Baustein zum gegenseitigen Verständnis und zu wirkungsvollen Aktionen gelegt.

Renate Wittlinger