Situation in der Landwirtschaft – Überlegungen zu den Protesten der Bauernfamilien – 1. Januar 2024
Die Landwirtschaft steht in Deutschland, aber auch in Baden-Württemberg, schon seit Jahren unter enormem Druck. Dies macht sich nun Luft. Das bewegt auch uns in Hohebuch.
Um was geht es?
Die Sparpläne der Bundesregierung nach dem Verfassungsgerichtsurteil beinhalten eine Beendigung der Agrardieselrückvergütung nach dem Energiesteuergesetz und der KFZ-Steuerbefreiung landwirtschaftlicher Fahrzeuge (Traktoren und Anhänger). Zusammen will man knapp 1 Mrd./Jahr zusätzlich aus der Landwirtschaft einnehmen.
Was ärgert die Bauernfamilien daran so sehr?
Sie finden es ungerecht, eine so kleine gesellschaftliche Gruppe mit einem so hohen Betrag zu belasten, wo doch jeder weiß, dass die Mehrkosten nicht weitergegeben werden können, aufgrund der Konkurrenzsituation in global offenen Märkten für Lebensmittel und landwirtschaftlichen Rohstoffen. Sie sehen kaum Einsparmöglichkeiten, da die Äcker ja trotzdem bestellt werden müssen. Auch gibt es momentan und auch auf längere Sicht keine Alternativen zum dieselbetriebenen Traktor. Von daher ist auch keine positive Lenkungswirkung in Richtung mehr Klimaschutz zu erwarten. Die KFZ-Steuer wird eigentlich für die Straßenbenutzung erhoben, d.h. es ist eine Verkehrsinfrastrukturabgabe. Traktoren fahren aber die meiste Zeit, zum Teil über 95%, auf landwirtschaftlichen Flächen und Hofgeländen. Da wird keine öffentliche Infrastruktur belastet. Die Maschinen werden aber für den täglichen Ablauf gebraucht.
Die geplanten Maßnahmen schlagen voll auf die Einkommenssituation der Bauernfamilien durch. Deshalb sind der Widerspruch und der Protest gegen die geplanten staatlichen Mehreinnahmen voll berechtigt und werden von uns unterstützt.
Was belastet die Bauernfamilien?
Die deutlich umfangreichere bürokratische Umsetzung der neuen Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), mit mehr Arbeit für weniger Geld, bringt die Bauernfamilien zum Verzweifeln, insbesondere die sogenannten „Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen“ (GLÖZ). So wurde ja erst im Spätsommer nachgereicht, was da noch zu beachten ist. Manch einer empfindet die Auflagen als weltfremd. Starre politische Terminvorgaben sind einzuhalten, statt auf Kulturzustand, Bodenzustand und Wetter zu achten, um einen Acker zu bearbeiten, und dies in Zeiten sich deutlich veränderndem Klima. Das empfinden Bauernfamilien für sich selbst entwertend und entmündigend. Ihre Erfahrung, fachliche Kompetenz, Sorgfalt und Verantwortung bei der nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Böden scheinen entbehrlich.
Es ist zu befürchten, dass einige Höfe, manche ihrer bislang lukrativen Kulturen nicht mehr anbauen werden können. Zudem macht die GAP, um mehr Biodiversität bereitzustellen, ein viel zu schlechtes Angebot, obwohl mehr Biodiversität politisch gewünscht ist.
Insbesondere die Tierhalter stehen unter starkem Druck. Die Anforderungen aus Gesellschaft und Politik an das Tierwohl steigen, aber bauliche Veränderungen müssen entweder über die Verkaufserlöse der Produkte oder über staatliche Mittel verlässlich unterstützt sein. Das von der Bundesregierung eingesetzte Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung (Borchert Kommission, Personen aus Wissenschaft, Landwirtschaft und Tierschutz) hat dazu 2020 ganz konkrete Vorschläge gemacht, auch zur Finanzierung. Leider können sich die politisch Verantwortlichen nicht zu einer Umsetzung durchringen. Das Kompetenznetzwerk hat daher 2023 seine Arbeit niedergelegt. Bei unseren Tierhaltern, insbesondere in der Schweinehaltung, haben schon viele aufgehört, dies beileibe nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern weil sie nicht wissen, wie es in Zukunft weitergehen kann. Hier macht sich eine bedrückende Perspektivlosigkeit breit.
Alle die beschriebenen Punkte haben den Druck auf unsere Bauernfamilien in diesem Jahr verstärkt. So führen die aktuell geplanten Belastungen nun doch zu deutlichen Protesten, aber da steht sehr viel mehr an Unzufriedenheit und das Gefühl nicht gehört zu werden dahinter.
Was ist uns in dieser Situation wichtig?
Das Evangelische Bauernwerk appelliert an die politisch Verantwortlichen, auf die berechtigten Forderungen der Bauernfamilien einzugehen und verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen diese in Eigenverantwortung ihre Höfe nachhaltig bewirtschaften und entwickeln können. Rahmenbedingungen mit Perspektive statt kleinteiliger Regelungen.
Wir unterstützen die Bauernfamilien in ihrem Protest. Aber wir bitten dies mit Anstand und Respekt gegenüber Menschen, Verbrauchern und Politikern mit anderen Meinungen zu tun. In einer Demokratie finden natürlicherweise Aushandlungsprozesse statt. Das ist gut so. Diese gilt es zu respektieren und positiv zu gestalten, um Mehrheiten zu gewinnen.
Wir bitten alle, die mit uns in Hohebuch und dem Evangelischen Bauernwerk verbunden sind, mit Bauernfamilien ins Gespräch zu kommen, sie anzuhören und bei ihren Anliegen konstruktiv zu unterstützen.
Die Jahreslosung zu 2024 aus 1.Kor. 16,14 sagt: Alles was ihr tut, geschehe in Liebe.
Das wollen wir bedenken und so wollen wir miteinander umgehen, politische Differenzen aushalten, miteinander Lösungen suchen und Veränderungen gestalten.
Bernd Kraft, Vorstandsvorsitzender des Ev. Bauernwerks in Württemberg e.V. – 1. Januar 2024