Im Dialog zwischen Landwirtschaft, Kirche und Gesellschaft – 75 Jahre Evangelisches Bauernwerk in Württemberg
Zum Jubiläumswochenende am 3./4. Juni 2023 kamen Hunderte von Gästen. Den Auftakt bildete das Scheunenfest am Samstagabend. Ein Abend des Sich-Wiedersehens und der Begegnung mit Live-Musik von Eddy Danco und Bewirtung durch verschiedene Bezirksarbeitskreise.
Den Gottesdienst am Sonntagmorgen mit Landesbauernpfarrerin Sabine Bullinger, Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl und einem Projekt-Posaunenchor feierte eine große Festgemeinde: Vertreter von Kirche und Politik, von Kommunen, von Fachverbänden, Vertreter anderer Bauernschulen, des katholischen Landvolks, der Landfrauen und der Landjugend, dazu unzählige Mitglieder des Ev. Bauernwerks und Hohebuch Verbundene. Das Festzelt war gut gefüllt.
Landesbischof Gohl: Rhythmus des Lebens in der Landwirtschaft besonders spürbar
In seiner Predigt zu 1. Mose 8,22 ging der Landesbischof auf den Rhythmus des Lebens ein: Saat-Ernte, Frost-Hitze, Sommer-Winter, Tag-Nacht würden die Menschen aus der Landwirtschaft in besonderer Weise spüren. Das Leben besteht aus Arbeitsphasen und Ruhephasen: „Schon früh war das im Bauernwerk ein Thema. Dass Bäuerinnen und Bauern wenig, oft zu wenig Raum für Ruhe und Erholung haben. Hier schafft Hohebuch mit seinen Veranstaltungen heilsame Möglichkeiten zur Rekreation – zum Aufatmen, Kraft schöpfen, durch kreatives Tun, durch Singen und Musik. Und das Bauernwerk bietet Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen und Familien in der Landwirtschaft, die an ihre Grenzen kommen. Sie unterstützen Menschen, in ihrem persönlichen Leben wieder ihren Rhythmus zu finden“, so der Landesbischof in seiner Predigt. Der Mensch braucht fachliches Wissen und Zeiten des Ausspannens und sich Erholens. Für beides bietet Hohebuch Anregung und Raum. Hohebuch ist ein Ort für Leib und Seele.
„Immer mehr Wachstum, immer höher hinaus. Wir haben den Zusammenhang von Säen und Ernten aus dem Blick verloren.“
Weiter ging der Landesbischof auch auf die Veränderungen durch den Klimawandel in der Landwirtschaft ein: „Sie, die Sie in der Landwirtschaft tätig sind, bekommen das haut- und erdnah mit. Sie können da manches berichten. Was der Klimawandel für die Landwirtschaft hier, aber auch weltweit bedeutet. Nicht nur deshalb brauchen wir Ihre Fachkenntnis in den Diskussionen über Erderhitzung und Klimaschutz! Im Klimawandel wirkt die Gier von uns Menschen nach immer mehr. Immer mehr Wachstum, immer höher hinaus. Wir haben den Zusammenhang von Säen und Ernten aus dem Blick verloren. Wir haben die Bodenhaftung verloren und das Bewusstsein, dass wir das, was wir zum Leben brauchen, im Ersten und Letzten nicht selbst machen, sondern empfangen. Wir leben in der Maßlosigkeit, die die Grenzen ignoriert, die uns – zu unserem eigenen Schutz – gesetzt sind. Eine Maßlosigkeit, die uns im Blick auf die Zukunft mit Angst und teils aggressiver Resignation erfüllt.“ Als Christinnen und Christen leben wir aber aus der Hoffnung, dass Gott es gut mit uns und seiner Schöpfung meine. Diese Hoffnung weite die Perspektive und wirke in unsere Gesellschaft hinein, so der Landesbischof.
Brücke zwischen Stadt und Land
Bernd Kraft, Vorsitzender es Ev. Bauernwerks, begrüßte nach dem Gottesdienst die Grußredner und erinnerte an die Geschichte. 1948 führte das Interesse, gegenwärtige, bäuerliche Berufsfragen im Horizont des ev. Glaubens zu diskutieren, zur Gründung des Ev. Bauernwerks in Württemberg. Seither haben Menschen aus der Landwirtschaft und dem ländlichen Umfeld diesen Verein geprägt und weitergeführt. Das Ev. Bauernwerk versteht sich als Kirche im Ländlichen Raum. Es stärkt den Dialog zwischen Landwirtschaft, Kirche und Gesellschaft, baut Brücken zwischen Stadt und Land und begleitet und gestaltet Veränderungsprozesse. Das spiegelt sich in seinen Arbeitsbereichen wider: Landwirtschaftliche Fortbildung, Beratung, Betriebshilfsdienst und Bildungsangebote aus dem kreativen und musischen Bereich. Hohebuch hat sich zu einem Ort der Bildung und Begegnung entwickelt. Das spürte man beim Jubiläumswochenende.
Grußworte aus Kirche und Politik
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl überbrachte die Glückwünsche der Ev. Landeskirche Württemberg und drückte Wertschätzung für die Arbeit des Ev. Bauernwerks in ganz Württemberg und hier in Hohebuch aus. Er freue sich auf eine gute Zukunft Hohebuchs. Harald Ebner, MdB, Bündnis 90/Die Grüne, erinnerte daran, dass das Ev. Bauernwerk seit 75 Jahren die Mission habe, Schöpfung mit und für die Landwirtschaft zu bewahren. „Ohne Landwirtschaft ist alles nichts“. Er betonte den ganzheitlichen und schöpfungsbewahrenden Ansatz ohne Verbandsinteressen. Dr. Konrad Rühl, der die Abteilung Landwirtschaft im Ministerium Ländlicher Raum und Verbraucherschutz leitet, überbrachte Grüße von Minister Peter Hauk. Dr. Rühl betonte, dass Hohebuch daran arbeite, Antworten auf die Frage: „Was braucht der Ländliche Raum?“ zu finden. Er erinnerte an die Weiterbildungsoffensive im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik. Abschließend dankte er ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit zwischen Politik und Hohebuch und Landwirtschaftsverwaltung und Hohebuch. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, betonte den Beitrag Hohebuchs, über Agrarthemen zu diskutieren. Eine lebendige Demokratie brauche eine gute Streitkultur. Dass das Ev. Bauernwerk eine tiefe christliche Verwurzelung habe, sei seine Stärke. Es zeige das Wissen darüber, dass nicht alles machbar und selbstverständlich sei. Hohebuch sei Bindeglied in die Kirche hinein. Er appellierte an die Politik, die Bedürfnisse der Menschen aus der Landwirtschaft ernstzunehmen und die Umweltleistungen der Landwirtschaft entsprechend zu honorieren. Dr. Matthias Neth, Landrat des Hohenlohekreises, sieht den Beitrag Hohebuchs auch darin, den Ländlichen Raum zu stärken, denn „starke städtische Räume brauchen starke ländliche Räume“. Pfarrer Peter Schock vom Kirchlichen Dienst auf dem Land der Evangelischen Landeskirche in Baden sprach in seinem Grußwort unter dem Stichwort „verbinden und verbünden“ an, wie wichtig es sei, zu kooperieren: zwischen Württemberg und Baden, in der Ökumene und im Bereich der Berufsverbände.
Hohebuch ist eine Gemeinschaft
Zum Nachmittagsprogramm leitete die Tollhouse Gang über, eine Inklusionsband. Die MusikerInnen mit und ohne Handicap spielten bekannte Songs aus der Rockmusik.
Festredner Ernst Ulrich von Weizsäcker sprach zum Thema „Unser Planet Erde ist krank – wie finden wir Heilung?“ Er rief dazu auf, die christliche Denkweise des Wir und des Miteinanders neu zu überdenken und den „Dummheiten des Neoliberalismus“ entgegenzusetzen.
Überall war zu spüren: Hohebuch ist eine Gemeinschaft. Hier sind alle willkommen. Hier kann man sich wohlfühlen. Im Tagungshaus und auf dem ganzen Gelände gab es Einblick in die Arbeit Hohebuchs. Für Kinder boten Spielemuu..bil, Hüpfburg, Ponyreiten und Traktor-Siku-Rennbahn Abwechslung, Spiel und Spaß.
Unter Gottes Zuspruch mit Zuversicht in die Zukunft
Prälat Ralf Albrecht erinnerte in seinem Wort auf den Weg an Gottes Ruf an den 75-jährigen Abraham. „Geh aus deinem Vaterland in ein Land, das ich dir zeigen werde.“ Eine Zukunft, die alles andere als klar vor Augen steht. Ein Weg, der das Loslassen von Vertrautem fordert und den Altgewordenen dennoch mit neuer Energie und Zuversicht erfüllt. Das wünscht sich der Prälat auch für seine Kirche und das Ev. Bauernwerk: Loslassen-können und mit Zuversicht in die Zukunft gehen unter Gottes Zuspruch: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“
„Danket, danket dem Herrn“ – Veronika Grossenbacher leitete den Kanon zum Abschluss, gesungen von allen im Festzelt Versammelten.
Statt einer Festschrift hat das Ev. Bauernwerk zum 75-jährigen Jubiläum einen Kalender herausgegeben. Auf 18 Kalenderblättern, der Kalender geht von Juli 2023 bis Dezember 2024, sind Menschen abgebildet, die mit ihrem Foto und einem kurzen Statement beschreiben, was sie mit Hohebuch verbindet.
Eine rundum gelungene Jubiläumsfeier bei strahlender Sonne und guten Begegnungen.
Sabine Bullinger