Veranstaltungsbericht – BAK Weikersheim
Artenvielfalt auf dem landwirtschaftlichen Betrieb
Artenvielfalt auf dem Landwirtschaftlichen Betrieb, so lautete die Einladung des Bezirkarbeitskreises Weikersheim des Evangelischen Bauernwerks in Württemberg. Viele Verbraucher und Landwirte folgten der Einladung und nahmen auf dem Betrieb von Horst Ott in Creglingen-Oberrimbach an einer Biodiversitätsrundfahrt mit Modellberatung teil.
Neben dem Klimawandel bewegt der Verlust an biologischer Vielfalt die Öffentlichkeit. Nach Ansicht des Weltbiodiversitätsrates IPBES ist für den rapiden Verlust an Biodiversität, also die Vielfalt an Pflanzen, Tieren und genetischen Ressourcen, also der Breite des Lebens vor allem die intensive Landwirtschaft verantwortlich. Aber Biodiversität bedeutet weniger Ertrag und Landwirte sind wegen der sich weiter öffnenden Preis- Kostenschere und des Erlösrückgangs auf kostendeckende Erträge angewiesen. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen wurden die Fruchtfolgen enger, die Felder größer,wurde mehr gedüngt und die Wiesen früher gemäht. Wie lässt sich dieses Dilemma lösen? Das Umweltforschungszentrum in Leipzig erstellte dazu Modellrechnungen. Durch eine Intensivierung des Ackerbaus könne der Ertrag um 20 % gesteigert werden, dies führe aber zu einem Artenrückgang von 9 %. Eine Ertragssteigerung um 33 % bedeute 21 % Artenverlust.Beate Leidig ist freiberufliche Biodiversitätsberaterin und schilderte bei der Feldrundfahrt und der anschließenden Diskussionsrunde auf dem Hof die verschiedenen Möglichkeiten um die Artenvielfalt auf den Feldern und Hofstellen zu vergrößern. Auch informierte sie über Fördermöglichkeiten für Biodiversitätsmaßnahmen. Ott zeigte den Acker auf dem ein Berufskollege Heilkräuter anbaut und wies auf weitere kreative Alternativen hin. Horst Ott hält in seinem Stall 140 Zuchtsauen der Rasse Schwäbisch-Hall und bewirtschaftet 56 ha Ackerland, 13 ha Grünland und 10 ha Wald. Der eigene Wald liefert in Form von Hackschnitzeln die umweltfreundliche Wärme , die er für seine wärmebedürftigen Ferkel und seine Hausheizung benötigt. Auch sogenanntes Abfallholz wird zum Energielieferanten und die Nachpflanzung trocken-und hitzeverträglicher Jungbäume soll seinen Wald nachhaltiger machen. Auf dem Acker praktiziert er eine fünfgliedrige Fruchtfolge, die er leicht mit Körnerleguminosen, Sommergetreide und den Wintergetreidearten Triticale, Hartweizen und Dinkel auf sieben Glieder erweitern könne. „Gerne würde ich meinen Betrieb auf Bio umstellen, aber dies wäre im Schweinestall sehr aufwendig und teuer. Aber er bewirtschaftet und nutzt seine Wiesen in integrierter Anbauweise zur Hälfte extensiv und die weitere Hälfte „wird moderat geführt“. Bei der Rundfahrt zeigte er unter anderem auf wie er das Grünland mit Streuobstbäumen pflegt. Immer wieder meldeten sich seine Berufskollegen mit der kritischen Frage nach der notwendigen Arbeitszeit und der geringen Effektivität des Arbeitseinsatzes. Hier konterte Ott mit seiner Erfahrung : „mit meiner Vielfalt habe ich weniger Risiken und mehr Bienen und Insekten“.Auf der Rundfahrt wurden an einem fremden Acker die Probleme der Resistenz des Ackerfuchsschwanzes gegenüber Herbiziden deutlich. Als Lösung des „Ackerfuchsschwanzbiotops“ hilft nur eine Fruchtfolge mit Sommerungen und Ackerfutter. Beate Leidig zeichnete die Veränderung der Ackerflur auf. Einst herrschte eine Vielfalt der Ackerkulturen, dann wurden die Felder größer und die Bäche begradigt. Horst Ott versucht mit weniger Handelsdünger und reduziertem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu arbeiten. Der Ackerstriegel hilft beim Regulieren der unerwünschten Beikräuter. Dazu gehören bei ihm eine angepasste Bodenbearbeitung, eine vielgliedrige Fruchtfolge und eine späte Saatzeit des Winterweizens. Ein Landwirt meinte lachend: man müsste den Beginn der Musweise nach hinten verschieben, denn bei einer späteren Saat könnten die Ungräser besser in Schach gehalten werden. Ott praktiziert auch die Untersaat von Rotklee unter Sommergerste und Hafer. „Die Ernte des Obstes von 269 Hochstammbäumen macht Spaß, wenn man dies gemeinsam macht“ freute sich Ott. Auch würde die Pflege der Bäume honoriert und der daraus entstehende Bioapfelsaft einigermaßen auskömmlich bezahlt.Zum Abschluss der Rundfahrt wurde noch ein ungewohnter Maisacker besucht. Dort kombinierte Ott die Maissaat mit Stangenbohnen und anderen Blühpflanzen. Die Stangenbohnen nützen die Maispflanzen als Stütze und revanchieren sich indem sie dem Mais Stickstoff liefern , den sie zusammen mit ihren Knöllchenbakterien gewonnen haben. Während der ganzen Fahrt gab es eine tolle und kontroverse Diskussion. Biolandwirte, konventionelle Landwirte, Naturschützer und Verbraucher lernten die oft gegeensätzlichen Ansichten der anderen Teilnehmer kennen. Ein Biolandwirt fasste das Verhalten der Verbraucher aus einer Sicht so zusammen : „Jeder will bei Aktionen zur Artenvielfalt unterschreiben, aber Keiner will einen Cent mehr für Nahrungsmittel ausgeben.“ „Es ist falsch die konventionelle Landwirtschaft zum Buhmann zu machen und Leute, die keine Ahnung haben, wissen am besten Bescheid“ kritisierte ein Landwirt.Alle Teilnehmer bewunderten die vielen arbeitsreichen Schritte mit denen Ott für mehr Vielfalt auf seinen Wiesen und Äckern sorgt. Beate Leidig berichtete von ihrer Beratungsarbeit. „Viele Landwirte fragen nach, weil sie sehen wollen , was sie haben und sich zu Unrecht angegriffen sehen. Andere wollen eine attraktive Hofstelle oder ihre Vermarktung aufwerten. „Es gibt viele Möglichkeiten von mehr Biodiversität ohne deutliche Einschränkungen. Beispielsweise sollte bei der Kleeernte ein Streifen stehen bleiben, damit die Hummeln weiterhin ihre Tracht finden. „Jetzt an warmen Tagen hört man an einer blühenden Wiese die Natur . Schmetterlingsraupen können sich in dichten Beständen schlecht entwickeln, weniger Saatgut führt zu der gewünschten Durchlüftung. Auf einem Schaubild (Foto) stellte die Biodiversitätsberaterin die ideale Agrarlandschaft vor. Sie ist gegliedert durch Niederhecken, Rotationsbrache, Hochstaudenflur und Pufferstreifen, Saum auf Ackerland, Lerchenfenster, Ackerschonstreifen, gestaffelte Mahd der Wegeränder , einjährige Blühstreifen, Buntbrache, mehrjährige Blühbrache und blühende Untersaaten. Dies alles klingt nach Mehraufwand und Mehrarbeit, die jedoch über einige Fördertöpfe abgegolten werden könne. Bezirksbauernpfarrer Matthias Haas unterstrich in seinem Schlusswort wie wichtig es sei Miteinander zu reden. Der Mensch sei zwar da, um das Land zu bebauen , aber wir sind Geschöpfe inmitten anderer Geschöpfe.
Text: Tillmann Zeller