Digitalisierung in der Landwirtschaft
„Landwirtschaft der Zukunft- Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung“
Mit diesem Thema beschäftigte sich der Bezirksarbeitskreis Sulz im vergangenen Winterhalbjahr. Ganz gezielt wünschte sich der BAK eine Einschätzung dieser Entwicklung seitens des evangelischen Bauernwerks und hatte deshalb den Vorsitzenden Bernd Kraft eingeladen. Als Referent aus der Praxis berichtete Bauernwerksmitglied Friedrich Bürkle, Milchviehhalter aus Loßburg und selber überzeugter Nutzer moderner digitalen Technik von seinen Erfahrungen:
So stellte zunächst Friedrich Bürkle am Beispiel seines Hofes die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Landwirtschaft vor und zeigte auf, welche Chancen die digitalisierte Landwirtschaft bietet. Friedrich Bürkle schlug im Jahre 2013 auf seinem Hof als einer der ersten den High Tech Weg in Baden- Württemberg ein. „Alle Arbeit, die ich täglich tun muss, will ich automatisiert haben. Ich geh morgens in den Stall, guck auf den Computer und weiß, was los ist.“ Mit vielen Bildern gab er Einblicke in das automatische Melken und Füttern der Kühe und Kälber. Der Melkroboter liefert Daten wie Milchtemperatur, Fett- und Eiweißgehalt, Farbe, Leitfähigkeit, Aktivität und Wiederkauverhalten, die Rückschlüsse auf das etwaige Abweichen vom Standardverhalten zulassen. Digitales Füttern heißt: bedarfsorientiert mit aktuell sechs Rationen täglich, kaum Installationen am Gebäude, geringer Aufwand für Futterlager, Zeitersparnis und energieeffizient. Alle Daten erscheinen auf einer Datenübersicht, die morgens im Stall überprüft wird. Auch im Ackerbau kommt die moderne Technik zum Einsatz: Der Ackerbau ist GPS- gesteuert, was den Vorteil hat von 10% Saatguteinsparung, weniger Pflanzenschutzmittel und bedarfsangepasste Düngung.
Und auch im Büro nutzt er die digitale Technik, durch die er viel Zeit spart: Alle Daten sind auf dem Handy abrufbar. Die Dokumentation ist lückenlos. Friedrich Bürkle sieht klar die Vorteile der digitalen Entwicklung mit allen ihren Möglichkeiten: körperliche Entlastung, Unabhängigkeit, höhere Produktionseffizienz, Zeitersparnis und die geringere Umweltbelastung. Allerdings – das müsse einem dann klar sein: die Tätigkeit als Landwirt verschiebt sich auch durch den zunehmenden Einsatz von digitaler Technik immer mehr in Richtung Manager. Auch wenn man dadurch weniger Arbeit habe und einerseits unabhängiger wird, müsse man doch ständig, d.h. 24 Stunden und 7 Tage die Woche in Bereitschaft sein. Und das Auge des Landwirts sei eben durch die Digitalisierung auch nicht zu ersetzen! Zur Sprache kam ebenfalls die Schattenseite dieser modernen Entwicklung: das zunehmende „gläsern werden“ des Einzelnen und der Betriebe, die Lücken in der Datensicherheit und die zunehmende Überwachung. „Wir liefern jede Menge interessanter Daten an die Hersteller, aber wir kriegen kein Geld dafür,“ merkte Friedrich Bürkle dazu kritisch an. Auch die Kosten für diese ganze Technik dürfe man nicht unterschätzen.
Wie sich das evangelische Bauernwerk zu dieser Entwicklung stellt, welche Chancen und Grenzen er sieht, und welche zukünftigen Herausforderungen er wahrnimmt, war die Fragestellung an Bernd Kraft. Mobilität, die immer stärkere Automatisierung, digitale Währungen, Online- Shopping sah er als teils fragwürdige Veränderungen, welche die Landwirtschaft herausfordern, gezeigt an verschiedenen Beispielen. Er selbst nutzt die Digitalisierung vor allem in Bezug Kommunikation und Information übers Internet, bei der Büroarbeit und nutzt die digitale Buchführung. Im Schweinestall gibt es eine computergesteuerte Flüssigfütterung, auf die auch mit dem Handy zugegriffen werden kann, der neue Traktor mit vielen elektrischen Knöpfen und einen Touchscreen, über den alles gesteuert werden kann, bietet Reiz, auszuprobieren was möglich ist und Spaß mache es auch, zu lernen mit den neuen Möglichkeiten umzugehen. Auch wenn bei nüchterner Betrachtung nur ein Teil davon essentiell notwendig ist und wirklichen arbeits- oder betriebswirtschaftlichen Vorteil bringt, und auch wenn nur ein Bruchteil davon genutzt wird. Auch die Hofgröße und der Drang mitzuhalten erwähnt er, und die persönliche Freiheit, die zwar einerseits neu gewonnen wird, aber andererseits auch durch neue Abhängigkeiten wieder bedroht wird. „Wir in der Landwirtschaft sind durch die Digitalisierung mit einer Vielzahl von Veränderungen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeld konfrontiert, die unser Wirtschaften auf dem Bauernhof massiv beeinflussen“, so Bernd Kraft.
Für die Bauern sei die Digitalisierung mit ihren vielfältigen Möglichkeiten vor allem erstmal eine innerbetriebliche Rationalisierung, mit Vorteilen, die es zu nutzen gilt: Arbeitsübernahme, Prozessüberwachung und Steuerung: dort wo eine Technik schon vorhanden ist wird sie digital verbunden und gesteuert. Alles letztlich mit dem Ziel Arbeitserleichterung, aber vor allem Arbeitsproduktivität und die Produktionsoptimierung. Ab wann sich diese Investitionen dafür aber lohnen, hänge von der Größe des Betriebes ab, denn alles habe eben auch eine betriebswirtschaftliche Seite. Neben vielen Chancen, die die einziehende Digitalisierung bietet, sieht Bernd Kraft Grenzen vor allem da, wo persönlichen Daten und Freiheiten in Gefahr sind. Dort wo man umsonst digitale Dienste nutze, bezahle man mit betrieblichen oder privaten Daten. Je mehr Maschinen und Geräte digital vernetzt sind, umso deutlicher ist das Interesse der Marktpartner. Diesen gehe es um Marktanteile, günstige Rohstoffe aus der Landwirtschaft und verlässliche bis abhängige Erzeuger.
„Die Landwirtschaft bei uns ist heute Teil einer hochtechnisierten und industrialisierten Welt, die mit einer enorm hohen und immer weiter fortschreitenden Arbeitsteilung, die Arbeitsproduktivität unserer Volkswirtschaft steigert. Und dieses Land so wettbewerbsfähig macht. Und doch haben große Teile der Bevölkerung ein anderes Bild von einem schönen Bauernhof.“ Das sieht Bernd Kraft als eine der künftigen Herausforderungen in der Landwirtschaft. In der Realität stünden die Bauern dazwischen: In der Produktionstechnik alles ins Optimum zu drehen, optimal zu vermarkten, nah am Verbraucher, die Biodiversität zu erhalten, die rechtlichen und bürokratischen Anforderungen zu erfüllen, zu dokumentieren und eine ansprechende Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Ehrenamtlich engagiert sein. „Und dazu eine glückliche Bauernfamilie, die entspannt und in sich ruhend ihren Alltag meistert, Zeit für sich hat, für Urlaub und Freizeitaktivitäten.“ Eine weitere Herausforderung sieht Bernd Kraft in den gesellschaftlichen Anfragen an die Bauern: Ganz besonders die Tierhaltung stehe diesbezüglich im Fokus, ganz vorne die Schweinehaltung mit Fragen nach Haltung, Kastration und Auslauf; die Geflügelhaltung, wo die großen Bestände, das schreddern männlicher Kücken und Antibiotikaeinsatz angeprangert werden. In der Milchviehhaltung ist es die Anbindehaltung, das Enthornen und die Forderung nach Weidehaltung. In der Außenwirtschaft gibt es zunehmen Anfragen zum Pflanzenschutz und Düngung. Diese Anfragen würden nicht weniger, sondern eher mehr und besser organisiert. Während im Ackerbau einige Anfragen auch mit digitalen Ansätzen gelöst werden können, geht es bei der Tierhaltung eher schwieriger und auch kaum technisch zu lösen, sondern mit mehr Arbeit.
Auch differenziere sich die Landwirtschaft immer weiter: Sie spezialisiert sich nicht nur in Ackerbau, Wein-und Obstbau oder in der Tierhaltung auf eine Tierart. So nutzen die einen immer stärker den technischen Fortschritt und die Digitalisierung in der Landwirtschaft. Die anderen gehen mehr in die Vermarktung, im Besetzen von Nischen oder ganz speziellen Angeboten bis hin in den Freizeit und Wellnessbereich. Da bleibe die Frage, in wiefern sie sich noch gemeinsam als Bauern verstehen und wo das gemeinsame Interesse noch liegen kann. Da passt jedoch der Ansatz vom evangelischen Bauernwerk: „Uns geht es um die Menschen, die in und von der Landwirtschaft leben und die Frage wie können wir sie bei den genannten Herausforderungen unterstützen und beistehen.“ Nach den beiden Vorträgen wurden noch Fragen zur Einschätzung der Zukunft der Landwirtschaft und ihrer weiteren Herausforderungen an den Tischen diskutiert und im Plenum von Bildungsreferentin Susanne-Marie Wagner zusammengefasst. Dabei waren sich die Anwesenden einig, dass künftig die Tierhaltung besonders im Fokus stehen wird, und die großen Bestände immer mehr in Frage gestellt werden. Die aufkommende Tierwohl-Diskussion bedeuten mehr Arbeit und höhere Kosten für die Landwirte und werde dafür sorgen, dass die Tierhaltung rückläufig sein werde. Zudem sei die Frage, wie sich der Mehraufwand in höhere Preise umsetzen lasse angesichts des Diktats der Preise durch die Discounter. Familienbetriebe werden wohl eher rückläufig sein, die industrielle Landwirtschaft wird zunehmen. Diskutiert wurde auch das oft negative Erscheinungsbild der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit.
„Bei der Sehnsucht nach Natur träumen viele Menschen von glücklichen Schweinen und Kühen. Das sind die gleichen Menschen, die den ganzen Tag bei künstlichem Licht in ihren digitalisierten Büros oder Betriebsstätten arbeiten. Deren Sehnsucht nach Natur ist unter bäuerlichen Bedingungen nicht zusammenzubringen“, stellte Bernd Kraft klar. „Da wird nur über Gülle, Massentierhaltung und Glyphosat diskutiert und dabei ganz vergessen, dass wir mehr als 80 Millionen Menschen ernähren“, so Bernd Kraft. Die Frage, die am Schluss noch offen blieb: Wie stellt sich das Bauernwerk zu der digitalen Entwicklung? „Aber“ , so der Vorsitzende, „das Evang. Bauernwerk ist ja kein Verein wo einer spricht wofür das Bauernwerk steht. Sondern das Bauernwerk sind wir alle, d.h. wir müssen gemeinsam nachdenken wofür wir stehen wollen.“ Dies wurde bei der anschließenden Diskussion dann auch noch gemacht.
Susanne-Marie Wagner