Ökumenisches Winterforum 2018: Wer bin ich – und wenn ja wieviele?
Landwirte als Profis in zwei Systemen
Dipl. Ing. agr. Rolf Brauch sprach über Landwirt sein heute vor vollem Haus im Evang. Gemeindehaus in Ilshofen.
Bernd Kraft, Landwirt und Vorsitzender des Evang. Bauernwerks begrüßte die zahlreichen Gäste zum ersten von drei Abenden des Evang. Winterforums 2018. „Landwirtschaft: Wer bin ich – und wenn ja wie viele“ lautete das Thema des Abends. „Wie sehen wir uns selbst in der Landwirtschaft? Wie sehen uns andere? Sehen wir uns im Blick der anderen? “ konkretisierte Kraft das Anliegen des Abends. „Wenn wir uns selber gut ansehen, bekommen wir auch mehr Ansehen“ so die Grundthese des Hauptreferenten Dipl. Ing. Rolf Brauch. In der Landwirtschaft habe man mit Blick auf sich selber und den eigenen Berufsstand die Tendenz eher auf die Löcher sprich die Defizite zu schauen, statt auf den ganzen Käse, die Substanz darum herum. Es gelte neu wieder Regisseure der eigenen Lebensimpulse zu werden. Die Volatilität, die Schwankungen der Märkte hätten viel Verunsicherung in die Landwirtschaftsfamilie gebracht, und auch eine Volatilität der Beziehungen zur Folge. Weiter gäbe es zahlreiche „Einflüsterer“: Steuerberater, Professoren, Politiker und andere besser Wissende, welche Landwirten sagten, was man wie machen solle, wieviel Tiere man benötige und wie man diese zu halten habe. Bei so viel Verunsicherung stelle man sich die Frage, wo man als Landwirt Halt und Orientierung herbekomme. Die Antwort für Brauch ist klar: Für Bäuerinnen und Bauern gehe es darum, wieder die Deutungshoheit über das eigene Leben zu erobern. „Was sind meine Ziele, meine Werte?“ dies müssten sich Landwirtinnen und Landwirte wieder fragen. Dabei dürfe es aber auch nicht darum gehen, den eigenen Berufsstand zu überhöhen bzw. den Beruf als einzigen Lebensinhalt zu betrachten. Überhöhungen führten leicht zu Enttäuschungen. Im Familienbetrieb gehe es darum, Profi in zwei Systemen zu werden: Profi im System Familie und Profi im System Betrieb. Beide Systeme benötigen jedoch ganz unterschiedliche Kompetenzen: Nähe, Geborgenheit, Zutrauen, Fürsorge, Versorgungsgemeinschaft in der Familie einerseits, Zahlen, Daten, Fakten, Effizienz, Optimierung im Betrieb andererseits. Die Familie verglich er mit dem Blutdruck, den Betrieb mit dem Wasserdruck. Es gehe darum, den Blutdruck zu senken und den Wasserdruck zu erhöhen. „Überlegen Sie, was sie brauchen und wollen, welche Überzeugungen, Ziele und Werte Sie haben! Der wichtigste Erfolgsfaktor sitzt zwischen Ihren Ohren!“ Insbesondere an die Männer appellierte er, mehr Zeit und Aufmerksamkeit in die Familienbeziehungen zu investieren. „Der Humus des Lebens sind gelingende familiäre Beziehungen.“ Überhaupt gelte es vorzusorgen in Beziehungen, für`s Alter und die Liquidität. „Bekommen Sie es noch hin, einmal die Woche mit Ihrer Frau etwas zu machen, was nichts mit dem Betrieb zu tun hat?“ Weiter stellte Brauch fest: „Männer sind Sprachökonomen, sie gehen sparsam mit Kommunikation um. Da müssen wir was ändern. Wir brauchen Gefährten/-innen auf dem Weg der Gefährdungen.“ Statt Umsätze zu maximieren, gelte es Margen zu optimieren. „Du musst nicht der Größte sein, sondern gut, allenfalls der Beste zu sein.“ Es gelte in Bildung, Beziehungen, ins Leben und in Liquidität zu investieren, um auch der nächsten Generation die Freiheit zu geben, dies zu tun. Bei Investitionen müsse man sich die Frage stellen: „Hält das Dein Herz, Hirn und Geldbeutel aus?“ Den gewonnenen Selbstwert könnten Landwirte und Landwirtinnen dann auch leichter nach außen tragen in die „Herzen und Hirne“ der Bevölkerung. „Wir erwarten Einsicht, dann müssen wir auch Einsicht gewähren“.
Veronika Grossenbacher