Presseberichte

Öhringen

Hohenlohische Wurst- und Fleischwaren

Am Mittwochabend referierte Karl-Heinz Wüstner auf Einladung des Bezirksarbeitskreises Öhringen des Evang. Bauernwerks im Evang. Gemeindehaus in Kupferzell. Er widmet sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich der historischen Erforschung seiner hohenlohischen Heimat und ergründet unter anderem die hohenlohischen Emigranten im 19. Jahrhundert, die in England durch das Metzgergewerbe zu Wohlstand kamen.

Wüstner zeigt in seinem Vortrag stets die Parallelen zwischen den Verhältnissen im 19. Jahrhundert und heute auf. Auswanderung ist ein zeitloses Thema, das nie an Aktualität verlieren wird. Als aktuelles Beispiel nennt er Nordsyrien. Aber wer seine Heimat verlässt, hat triftige Gründe, so Wüstner. Niemand geht gerne als „Fremdling“ in ein neues Land, in dem man die Sprache nicht versteht. Armut und Aussichtslosigkeit daheim trieben die Hohenloher im 19. Jahrhundert zur Flucht. Sie waren Wirtschaftsflüchtlinge. Gründe, die die Perspektivlosigkeit begründeten, waren Versorgungsengpässe und Hungersnöte. Weitere Gründe waren, dass in Hohenlohe jeweils nur ein Kind den elterlichen Wohnsitz erbte und die Geschwister oft mittellos blieben. Und schließlich trieb der drohende Einzug ins Militär 1871 viele Jugendliche in die Fremde.

England war aus Ausreiseland sehr attraktiv, einmal wegen der guten wirtschaftlichen Lage, der liberalen Gesellschaftsstruktur und des freizügigen politischen Systems. Beispielsweise konnte jeder in England ein Gewerbe eröffnen, unabhängig von Ausbildung und Meistertitel. Die hohenlohischen Metzger versorgten die englische Arbeiterklasse mit Köstlichkeiten. Ein deutscher Name über dem Geschäft stand für Genuss. Die ersten take-away-Läden entstanden, in denen komplette Mahlzeiten fertig zubereitet zum Mitnehmen gekauft werden konnten. Gute Qualität an Würsten, gekochten Innereien, gekochtem Fleisch, Schinken, Pasteten und Sülzen ließ das Metzgergewerbe florieren. Die Erfolgsgeschichten lockten Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr Hohenloher zu ihren Bekannten und Verwandten nach England.

Über 100 Jahre waren sie erfolgreiche Geschäftsleute. Aber mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges wurden die Metzger über Nacht zu Feinden. Deutsche Geschäfte wurden zerstört und geplündert. Die Politik griff ein und steckte die hohenlohischen Männer in  Internierungslager. Frauen und Kinder wurden ausgewiesen. Nach dem Krieg war nur noch ein Drittel der Metzgereien übrig, die fortan ihre Deutschstämmigkeit verbargen.

Wüstners Forschungen laufen in einer Datenbank zusammen. 2.500 Namen von hohenlohischen Metzgern sind in der DBSIG-Datenbank online einsehbar.

Melanie Burkhardt