Presseberichte

Ludwigsburg / Marbach

Vortragsabend Landwirtschaft in den Medien

Öffentlichkeitsarbeit ist Chefsache

Mit dem Bild der Landwirtschaft in Medien und Öffentlichkeit steht  es nicht zum Besten. Wie es dazu kommen konnte und wie Landwirte ihr Image selbst verbessern können, hat die Journalistin Ulrike Amler auf mehreren Abendveranstaltungen des Evangelischen Bauernwerks im Rahmen der Veranstaltungsreiche „Landwirtschaft und Gesellschaft“ erläutert. „Landwirtschaft in der Kommunikationskrise?“ Mit dieser provozierenden Frage konfrontierte die freie Journalistin und Agrarwissenschaftlerin aus Leonberg ihre Zuhörer auf Einladung mehrerer  Bezirksarbeitskreise. Trotz zahlreicher Bemühungen und aufwändiger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit durch wenige Betriebe, Agrarverbände und  Berufsstandvertreter nehmen Landwirte das Bild ihrer Arbeit in den Medien häufig negativ wahr. Es scheint, die Landwirtschaft habe selbst die Deutungshoheit über Bilder und Nachrichten verloren, gibt Amler zu bedenken. Sie erläutert, wie es dazu kommen konnte, wenngleich der Berufsstand selbst in der Gesellschaft laut Umfragen noch immer ein hohes Ansehen und Vertrauen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen genieße: „Landwirtschaft betrifft ganz existentielle Fragen der Menschen“, so die Journalistin, die für die Agrarfachpresse ebenso tätig ist wie für die Tageszeitung und die Arbeitsweise der Medien kennt. Informationsbeschaffung und Austausch über Landwirtschaft  fänden heute häufig in sozialen Medien statt, wo viele Meinungen aber zu selten fundiertes Fachwissen und sachliche Erklärungen anzutreffen seien. In der Fülle der medialen Angebote oder Blogs sei es für den Laien auch kaum noch möglich, fachlich fundierte Informationen von Branchenwerbung und Anti-Landwirtschaftskampagnen zu trennen.  Zwischen Bauern-Bashing  und Agrarromantik sei alles zu finden, denn jeder könne dort seine persönliche Wahrheit kundtun, so die Journalistin. „Wir haben keine Sprache, um die Komplexität der Landwirtschaft in die moderne Gesellschaft zu transportieren. Wir sprechen von Landwirtschaftspolitik, obwohl diese zu hundert Prozent die Bevölkerung betreffe“, zitiert Ulrike Amler Peter Moser, den Präsidenten der Schweizer Gesellschaft für ländliche Geschichte. „Wer die Sprache beherrscht, beherrscht auch die Menschen“ und damit ihr Denken, wusste schon der britische Literaturnobelpreisträger Rudyard Kipling (1865-1936) und hier seien die zahlreichen Nichtregierungsorganisationen (NGO) aus dem Bereich Umweltschutz, Tierrecht oder Verbraucherschutz offensichtlich erfolgreicher, die augenscheinlich die Expertenrolle gegenüber Verbrauchern und Medien übernommen hätte. Sie lieferten auch den Medien kontinuierlich und bei aktuellen Anlässen sehr schnell und barrierefrei Informationen an die Presse. Zeitungen und Rundfunk nähmen diese in dem für Medien existentiellen Wettlauf um die Zeit dankbar an. Knappe Zeit- und Finanzressourcen seien bei vielen Medien der Grund für die geringe Eigenrecherche und Recherchetiefe, so Amler. Nach persönlicher Einschätzung der Agrarjournalistin seien aus der Landwirtschaft lange Zeit und oftmals zu wenig und zu spät Informationen geflossen und dann häufig Rechtfertigungen statt Erklärungen entgegengesetzt worden. Ihre Erklärungen lieferten die NGOs schneller und effizienter über die schlecht kontrollierbaren Social Media-Kanäle. „Die Landwirtschaft muss als Ansprechpartner vor Ort präsent sein“, so Amler, allerdings nicht nur durch Funktionäre und Verbände. Auf regionaler Ebene ist jeder einzelne Landwirt gefragt, Themen zu liefern und als Ansprechpartner für die Lokalpresse zur Verfügung zu stehen. Die Bedeutung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit solle Landwirten so wichtig sein, wie sie das in der Wirtschaft und Verwaltung sei, wo sie Chefsache oder der Geschäftsführung direkt unterstellt sei, entgegnete Amler auf den Einwand, wann ein Betriebsleiter das auch noch machen solle. Die Journalistin bat darum, in Pressekollegen nicht grundsätzlich Agrargegner zu sehen, sondern Menschen, die häufig über wenig oder kein Fachwissen verfügten, aber darauf angewiesen seien, die ihnen zur Verfügung gestellten Informationen an ihre Leser verständlich zu kommunizieren. Während Agrarjournalisten über fundierte und teilweise hochspezialisierte Insiderkenntnisse verfügten, seien die Kollegen der Tagespresse, von Rundfunkt und Fernsehen „vielseitig interessierte Allrounder“, die oftmals keine Ausbildung im naturwissenschaftlichen Bereich hätten. Diese müsse man für landwirtschaftliche Themen gewinen. Sie gestand aber auch ein, dass der ein oder andere Kollege mit missionarischem Eifer die Landwirtschaft schlecht schreibe. Alle anderen Journalisten müssen durch zielgruppengerechte Informationen befähigt werden, die Komplexität vieler Themen verständlich an ihre Leser und Zuschauer weiterzugeben. Gerade hier müssten die Landwirte vor Ort ihre Scheu ablegen und als Ansprechpartner für die Lokalpresse zur Verfügung stehen. „Gehen sie gezielt auf Kollegen zu, bei denen sie das Gefühl haben, dass sie guten Journalismus geliefert bekommen“, rät Amler. Dieser zeichne sich durch gründliche Recherche und eine sachlich richtige und neutrale Darstellung der Fakten aus, habe aber durchaus den gesellschaftlichen Auftrag, Missstände aufzudecken, wo es diese tatsächlich gäbe. In diesem Mechanismus müsse sich die Landwirtschaft vor allem vor Ort so professionell positionieren wie die NGOs. „Schicken sie auch nicht immer den gleichen Kollegen vor, sondern zeigen sie alle durch ihr persönliches Engagement die Vielfalt der Landwirtschaft, die Betriebe und die Menschen, die dahinter stehen“, warb Ulrike Amler für offensive Kommunikation. Zum Umgang mit der Presse hält die Agrarjournalistin zahlreiche Tipps bereit: „Nehmen sie sich Zeit, machen sie sich in Ruhe Gedanken, was sie antworten wollen und bewahren sie Themendisziplin.“ Landwirte müssten keine schnellen Telefoninterviews geben und nicht auf jede Frage antworten oder zu jedem Thema spontan ihre Meinung kundtun. „Lassen sie sich die Fragen geben und bitten sie beispielsweise um einen Rückruf in einer halben Stunde oder in der Mittagspause und legen sie sich ihre Antworten in Ruhe zurecht.“ Während richtige Interviews vom Gesprächspartner immer schriftlich freigegeben werden müssen, sei das bei Statements für eine Reportage oder Bericht nicht vorgesehen. „Bieten sie freundlich ihre Unterstützung für ein Gegenlesen an, um sicherzustellen, dass sie richtig verstanden wurde“, rät Amler. Darauf zu bestehen würde bei Schreibprofis eher zu einer ablehnenden Haltung, Misstrauen und Widerstand führen, berichtet sie aus ihrem eigenen Berufsalltag. Die Journalistin empfiehlt, die Sorgen hinter manchen Fragen ernst zu nehmen und sachliche Erklärungen zu liefern. „Bleiben sie vor allem cool, wenn Emotionen hochkochen“, rät die Agrarwissenschaftlerin. „Eine wertschätzende Kommunikation, das Teilen von differenzierten Gedanken und ihrer persönlichen Meinung fördern ihre Glaubwürdigkeit“, ermutigt Amler regelmäßig ihre Zuhörer. „Seien sie mutig und denken sie nicht darüber nach, was ihr Nachbar denken könnte, sondern ergreifen sie die Chance, ihre Belange darzustellen, wenn sie die Gelegenheit dazu haben, fordert die Journalistin auf, selbst Verantwortung zu übernehmen und aktiv zu werden. Die Presse könne nämlich durchaus auch ein Instrument sein, die eigenen Interessen zu kommunizieren. Ulrike Amler ist überzeugt, dass sich der Schritt in die Öffentlichkeit für Landwirte auszahlt und auch vor Ort für mehr Verständnis in der Bevölkerung führen kann. „Schaffen sie Identifikation mit ihren Produkten“, fordert sie ihre Zuhörer auf und nutzen sie ihre Präsenz als Marketinginstrument. Möglichkeiten gebe es neben den großen Aktionen wie beispielsweise der Gläsernen Produktion ja viele. Plakataktionen auf Feldern, Hinweise auf Maschinen auf eine gut gepflegte Hof-Homepage oder Hofführungen bringt die Landwirte und die Menschen vor Ort wieder näher zusammen. Führungen für Schulen und Kindergärten kosten Zeit, aber tragen zu einer positiven Grundeinstellung der folgenden, der Landwirtschaft immer fremder werdenden Generation bei und rücken manch verklärtes Kinderbuchbild gerade. Amler rät aber auch, ganz aktiv auf Volkshochschulen oder Bildungseinrichtungen der Kirchen zuzugehen und Exkursionen oder Vorträge über die Landwirtschaft anzubieten. Dort würden Landwirte mit ihren Informationen aus erster Hand offene Türen einrennen, ist die Referentin überzeugt und nennt die interessierten Zuhörer dort wichtige Multiplikatoren in der Gesellschaft. „Sie haben was Wichtiges zu sagen“, macht Amler den Zuhörern Mut. „Machen sie das selbst, bevor andere es übernehmen!“ Die gastgebenden Arbeitskreise äußerten sich rundum positiv über die Fülle an Informationen und die umfangreichen Einblicke in Arbeitsweise von Journalisten, die nicht jede unglückliche Darstellung der Branche entschuldige, aber viele erklärt habe.

Susanne Marie Wagner Evangelisches Bauernwerk