Presseberichte

Arbeitskreis Internationale Landwirtschaft

Saatgut für alle

Ernährung sichern mit Gentechnik oder traditionellen Sorten?

Saatgut ist die Grundlage unserer Ernährung. Eine Vielfalt von Sorten ist für die Züchtung und unsere zukünftige Ernährung unabdingbar. Doch überall auf der Welt geht die Zahl der Sorten zurück, egal ob bei Gemüse oder Getreide. Weltweit kontrollieren nur drei Konzerne über 60% des Saatgutes.

Der AKIL freute sich sehr über den Besuch von zwei erfahrenen Saatgutschützern aus Südbrasilien. João Dantas bewahrt seit seiner Kindheit verschiedenste Samen und hat den Erhalt der Vielfalt – die Basis unserer Ernährung – zu seinem Lebensinhalt  gemacht. Er vermehrt traditionelle Sorten von Gemüse, Kräutern, Heilpflanzen, Obst, Hülsenfrüchte und Getreide. Zwei Hektar sind seine Lebensgrundlage: Nahrungsmittel für die Familie, Kräuter und Heilpflanzen zum Verkauf, sowie die Stecklinge und das Saatgut. Sein Bericht war äußerst inspirierend. Ruhig und reflektiert, dabei konsequent, klar und direkt in den Aussagen.

Hansjörg Rinklin leitet seit acht Jahren das Projekt „Saatgut für alle“ das zum Bioverband AOPA gehört. Eigentlich ist er Gärtnermeister vom Kaiserstuhl, arbeitet aber seit Jahrzehnten in dem südamerikanischen Land und ist mittlerweile zum Brasilianer mutiert. Damit war er der perfekte Mittler – nicht nur sprachlich, sondern auch um die unterschiedlichen Gegebenheiten zu verstehen.

Ziel des Projektes „Saatgut für alle“ ist es, für ökologische Kleinbauern angepasstes Gemüsesaatgut zu vermehren. Über 1000 Familien profitieren von der Arbeit der sechs Produzentengruppen mit insgesamt 25 Familien. Diese werden geschult und intensiv betreut. Damit Mais nicht durch gentechnisch veränderten Pollen verunreinigt wird, ist es  wichtig ihn zeitversetzt zu pflanzen.

Neben der reinen Saatgutvermehrung geht es auch um Auslesezüchtung. Die Pflanzen werden jährlich selektiert. So wird das Saatgut immer besser und angepasster. Auch Lokalsorten werden gesichtet und vermehrt. Die Bauernfamilien werden so unabhängiger von den Saatgutmultis. Obwohl das Saatgut kein anerkanntes Saatgut im handelsüblichen Sinne ist, hat es die gleichen Qualitätsstandards. Hierfür ist das Saatguthaus unabdinglich,

mit Reinigungs- und Trocknungsmöglichkeiten, Feuchtigkeit und Keimtests sowie gekühlten und klimatisierten Räume zur Lagerung.

Partner für diese Vermarktung ist die Rede Ecovida, in der in Südbrasilien etwa 4.500 Familien organisiert sind, die überwiegend Gemüse anbauen.

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen sind beim Mais gentechnische Verunreinigungen ein großes Problem. Bisher kam es selten vor. Aber in diesem Jahr sind auf einmal 30% betroffen, so dass es fraglich ist, ob es auch in Zukunft noch gentechnikfreies Saatgut geben wird.

Die Referenten waren sehr  besorgt, dass wir Heutigen den Generationenvertrag brechen, den hunderte Generationen vor uns erfüllt haben. Wir müssen das empfangene Erbe der Saatgutvielfalt an die nächste Generation weitergeben!

Natürlich ging es auch um die aktuelle Situation in Brasilien. Der rechtsradikale Präsident Bolsonaro steht auf der Seite der Großgrundbesitzer, ermutigt sie gar zum Roden des Waldes. Unterstützung für Familienbetriebe wird gekürzt, deren sozialen Bewegungen  werden kriminalisiert. Für internationale Konzerne hingegen ist die neue Regierung bestens: Viele Firmen werden privatisiert, Pestizide in großem Maßstab neu zugelassen.

So blicken die Menschen in eine ungewisse Zukunft – sind aber bereit weiterzumachen: Für den Erhalt von Saatgut, der zukünftigen Lebensgrundlage. Trotz aller Bedrohungen ließen die beiden Referenten das Publikum inspiriert und mit neuer Energie zurück.

Angela Müller