Presseberichte

Landwirtschaft

Klimawandel und Extremwetterereignisse

Hohebucher Agrargespräch 2018

Die größte Herausforderung des 21. Jahrhundert ist wohl der Klimawandel – global und lokal. Mit welchen Folgen müssen wir in Baden-Württemberg rechnen? Und wie kann die hiesige Landwirtschaft reagieren? Beim diesjährigen Hohebucher Agrargespräch des Evangelischen Bauernwerks wurden Klimawandel und Extremwetter-Ereignisse thematisiert und die Anpassungsstrategien für die baden-württembergische Landwirtschaft von Experten und den rund 60 Besuchern diskutiert.

In ihrer Einleitung erinnerte Moderatorin Angelika Sigel an die Veränderung des Wetters im Jahr 1816, dem „Jahr ohne Sommer“, und deren Auswirkungen. Auf die klimatischen Veränderungen folgten Ernteausfälle, was mit drastischen Preiserhöhungen von Lebensmitteln (teils 240 %) einher ging. Das führt zu sozialen Spannungen und Auswanderungswellen. Die Kehrseite dieser Misere waren Entwicklungen in allen Bereichen. Unter anderem gehen die Universität Hohenheim, das Landwirtschaftliche Hauptfest auf dem Cannstatter Wasen, die Erntebittstunden aus dieser Zeit hervor. „Klimatische Veränderungen waren Motor für Entwicklung“, so Sigel.

Aber auch in jüngster Zeit gab es Klimakatastrophen in Baden-Württemberg. Dazu zählen unter anderem Überschwemmungen, wie 2016 in Braunsbach, oder der Frost im Frühjahr 2017, der große Teile der Obsternte kostete. Der Klimawandel ist da und kann nicht aufgehalten werden.

Dr. Harald Maier vom Deutschen Wetterdienst belegt diese Aussage. Verschiedene Wissenschaftler, die teilweise in Konkurrenz zueinander stehen, kommen auf dieselben Ergebnisse: Gletscher schmelzen, mehr treibhauswirksame Gase werden ausgestoßen usw. Fest steht: der Mensch ist der Hauptverursacher des Klimawandels. Dementsprechend ist auch allein das menschliche Verhalten (demografisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich, politisch, technologisch) ausschlaggebend für die Zukunft.

In Baden-Württemberg ist zu beobachten, dass die Kohlendioxidkonzentration auf 400 ppm angestiegen ist (1870 lag sie bei 275 ppm). Auch die Methan- und Lachgasmenge in der Luft ist höher. Ebenso stieg die Jahresmitteltemperatur auf 9,1 °C an (+1,35 °C). Damit ist der Temperaturanstieg höher als der globale Schnitt, denn Baden-Württemberg verfügt über wenig Wasserfläche, welche langsamer erwärmt. Allgemein lässt sich beobachten, dass es in den letzten Jahren weniger Frosttage und mehr Sommertage gab. Der Frühling ist früher, der Winter kürzer und dadurch die Vegetationsperiode länger. Im Schnitt ist die Vegetation zwei Wochen verfrüht. Zudem ist eine Zunahme an Starkniederschlägen im Winterhalbjahr erkennbar.

Der Experte erwartet, dass sich die Durchschnittstemperatur weiter erhöhen wird, eine höhere CO2-Konzentration in der Atmosphäre bestehen wird, die Wasserverfügbarkeit variiert und mit mehr Wetterextremen gerechnet werden muss. Er spricht von einer größeren Klimavariabilität. Dies ist vor allem für die Landwirtschaft problematisch. Die extremen Niederschläge können bis zu 600 mm pro Tag ausmachen und es ist von weniger Schnee und Bodenfrost auszugehen. Zudem sind extreme Wetterereignisse schlecht vorhersagbar, da sie sehr selten, lokal begrenzt und von unterschiedlicher Andauer sind. Abschließende appelliert Maier an die Handlungsfähigkeit jedes Einzelnen.

Nachdem die Landwirte und Landwirtinnen gehört haben, was auf sie zukommen wird, stellt Dr. Holger Flaig vom LTZ Augustenberg (Landwirtschaftliches Technologiezentrum) vor, welche pflanzenbaulichen Maßnahmen ergriffen werden können, um sich der Klimaveränderung anzupassen. Da es künftig immer wieder Nässeperioden geben wird, sollte eine funktionierende Dränung gegeben sein. Ebenso rät Flaig zur Vermeidung von Bodenverdichtung und zur konservierenden Bodenbearbeitung mit tiefenreichenden Grobporen. Schutzmaßnahmen gegen Erosion und Hagel werden wichtiger. Weiter stellt er die drohenden Gefahren nach milden Winter vor. Er geht von mehr Pilzkrankheiten und mehr Schadinsekten aus, da Populationen stärker werden. Trotzdem muss auch weiterhin mit sehr kalten Wintern gerechnet werden. deshalb rät Flaig zur Frostschutzberegnung.

Der Temperaturanstieg ist sogar eine Chance für neue Sorten bei Obst, Gemüse und Wein. Auch die Leistungsfähigkeit von Mais, Hirse, Soja steigt bei höheren Temperaturen, allerdings nur in Zusammenhang mit ausreichend Wasser. Das LTZ geht davon aus, dass Raps, Grünland und Zuckerrüben weniger angebaut werden, da sie regelmäßige Niederschläge brauchen. Getreide hat mit einer Verkürzung der Wachstumsphase, vor allem der Kornfüllphase, zu kämpfen und wird in Zukunft weniger Ertrag geben. Dementsprechend spricht sich der Experte dafür aus, mehr hitzetolerante Pflanzenarten anzubauen, die Winterfeuchte zu nutzen (Winterhafer, -erbsen, -ackerbohnen) und Zwischenfrüchte zu säen. Er ermutigt die Landwirte und Landwirtinnen mehrgliedrige Fruchtfolgen auszuprobieren.

Dipl. Ing. agr. Patrick Trötschler betreut das Projekt „Agri-Adapt“ der Bodensee-Stiftung. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Klimawandel-Checks, der die Anfälligkeit des einzelnen landwirtschaftlichen Betriebs gegenüber dem Klimawandel bewertet. Auf 120 Pilotbetrieben (EU-weit) wird der Klimawandel-Check erprobt. Dabei wird im ersten Schritt untersucht, inwiefern der Betrieb seither schon vom Klimawandel betroffen ist. Mit Hilfe von Klimadaten wird ermittelt, wie der Betrieb künftig betroffen sein wird. Im dritten Schritt werden dann betriebliche Veränderungen miteinbezogen und es wird wiederum ermitteln, wie sehr der Betrieb dann vom Klimawandel betroffen sein wird. Gemeinsam mit dem Landwirt soll dann im vierten Schritt ein Maßnahmenplan entwickelt werden. In die Risikoanalyse fließen Ertragsdaten, Klimadaten sowie Erfahrungswerte des Betriebsleiters ein. Mit Hilfe des Klimawandel-Checks soll die „einzelbetriebliche Schlagkraft sichergestellt werden“, so Trötschler. Er betont, dass Landwirte und Landwirtinnen den Klimawandel ernst nehmen und reagieren müssen und schließt mit einem Zitat von Willy Brandt „Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.“

Der Nachmittag stand unter der Überschrift betriebliches Risikomanagement. Dazu stellte Jürgen Huppert, Berater der LBV-U, Absicherungsmöglichkeiten gegen Klimawandelauswirkungen vor. Um Risiken durch Umweltschäden vorzubeugen, bietet die LBV-U die Gebäudeversicherung, die Hausratversicherung, die Photvoltaikversicherung, die Versicherung für landwirtschaftliches Inventar, die Hagelversicherung und die Tierversicherung an. Gegen Frostschäden können die Betriebe mit einer Erweiterung der Hagelversicherung vorbauen. Allerdings steigt mit den Wetterextremen auch das Risiko von Umweltschäden, die keinesfalls alle abgesichert werden können.

Darauf folgt ein Podiumsgespräch mit Praktikern und dem Ministerium. Albrecht Kümmel vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Markus Gruber, Teilnehmer des „Agri-Adapt“-Projekts, Jürgen Maurer vom Kreisbauernverband Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems und Bernd Kraft, Vorsitzender des Evang. Bauernwerks diskutieren über die zu erwartenden Folgen des Klimawandels und Risikovorsorge. Maßnahmen sind dabei für jeden Betrieb individuell – abhängig vom Boden, der angebauten Kultur etc. Allgemein wird sich für ressourcenschonendes Arbeiten ausgesprochen.

Der Konsens am Ende des Agrargesprächs lautet: Es ist unverzichtbar, dass sich jeder mit dem verändernden Klima befasst und darauf reagiert. Aktives Handeln ist gefragt.

Melanie Läpple